Aktenvermerk 8. Juli 1998 Betr.: Prinzhorn-SammIung - Universität Heidelberg Mit Bischof Professor Dr. Huber habe ich am Mittwoch, den 8. Juli 1998, in Heidelberg die Universität aufgesucht, um die Frage „Prinzhorn-Sammlung in Berlin" zu klären. An dem Gespräch haben auf Seiten der Universität teilgenommen der Rektor Siebke, Herr Professor Mundt - Chef der Psychiatrie - und der Stellvertretende Dekan der Medizinischen Fakultät. Das etwa 1 1/2 -stündige Gespräch verlief höflich-korrekt, ohne Aggressionen, aber in erstaunlicher Kühle. Entsprechend dem zwischen Bischof Huber und mir abgesprochenen Plan habe ich zunächst noch einmal unsere Situation erörtert und dargelegt, warum wir der Ansicht sind, daß jedenfalls ein Teil der Prinzhorn-Sammlung nach Berlin kommen muß, wobei ich als „Hausnummer" eine Anzahl von 400 Arbeiten - von insgesamt 5.000 vorhandenen - genannt habe, die - jeweils wechselnd - auf Dauer in Berlin zu sehen sein werden. Seitens der Universität war Wortführer Herr Mundt, ein offensichtlich intelligenter und sensibler, unserem Projekt aber naturgemäß keineswegs gewogener Mann. Er betonte zunächst, daß er gar nicht verstünde, warum wir Zugriff auf die Sammlung nehmen, wo doch bekannt sei, daß der Landtag nunmehr beschlossen habe, in der Psychiatrischen Klinik den Bildern eine Heimat zu geben. Wir weisen darauf hin, daß die Berliner Aktion älter ist als die nach 50-jährigem (Ver)Schweigen erkennbaren Bemühungen der Universität Heidelberg, die Prinzhorn-Sammlung aus dem Versteck ins Licht der Öffentlichkeit zu ziehen. Nachhaltig wird diskutiert, warum denn das T4-Projekt mit der Prinzhorn-Sammlung in Verbindung gebracht werden solle. Die Prinzhorn-Sammlung gebe dem psychologisch Kranken ihre Dignität wieder, habe aber selbst mit dem T4-Programm, den Versuchen an Menschen und der Euthanasie nichts zu tun. Ausführlich stellt Bischof Huber noch einmal den Aspekt dar, der geradezu unausweislich zu dieser Verbindung führt. Gerade weil die Sammlung Prinzhorn nicht mit dem T4-Programm zu tun habe, gerade weil die Bilder den Kranken ihre Würde (wieder)geben, spiegelt das Vorhandensein und Aufzeigen dieser Bilder das Verbrecherische der T4-Aktion besonders deutlich. Herr Prof. Mundt immerhin hat anerkannt, daß er den „moralischen Anspruch" durchaus sehe, daß er aber der Meinung sei, diese Bilder müssen in der Klinik gezeigt werden, dort, wo die Patienten sind, damit diese Sammlung bei den sie betrachtenden psychisch kranken Patienten Wirkung zeige, Hoffnung auslöse, Mut mache. Meinen Einwand, daß man diese Verbindung in den letzten 50 Jahren nicht gesehen habe, läßt er unbeantwortet. Immer deutlicher wird im Laufe des Gespräches, daß Prof. Mundt aber durchaus über eine Zusammenarbeit nachdenke, daß ihm aber sei, daß dieses nur geschehen könne, wenn die Prinzhorn-Sammlung einen „zweiten Standort" bekomme. Gerade das wolle die Universität nicht. Es ist der Rektor, der von seiner Antipathie zu unserem Projekt keinen Hehl macht. Die Sorge, daß mit dem Aus-Stellen der Prinzhorn-Sammlung in Berlin das liebliche Heidelberg befleckt werde, weil eben immer wieder die Verbindung zu dem unsäglichen Herrn Schneider und zu T4 hergestellt werde, hat er deutlich formuliert. Als Bischof Huber erklärt, daß auch das Nein von Heidelberg zu einer öffentlichen Reaktion und zu einer Diskussion des Heidelberger Standpunktes führen wird, empört sich Herr Siebke, dieses sei „moralische Erpressung", ein Vorwurf, den Huber zurückweist. Zwischendurch betont der Rektor immer wieder, daß es hier sich nur um Vorgespräche handelt, er keine Entscheidung treffen könne, er die Rektoratsrunde -eine Einrichtung, die es institutionell gar nicht gibt - fragen müsse und daß er uns Nachricht über die Entscheidung noch in diesem Monat gebe. Dazwischen das sinnlose Geplänkel, warum wir uns erst so spät an die Heidelberger gewandt haben. Ich stelle klar, daß die Arbeit an dem Projekt kaum älter als zwei Jahre ist und daß wir seit über 1 1/2 Jahren im Gespräch seien, ein Gespräch, das Bischof Huber initiiert habe. Die Verärgerung, daß man von dem Projekt erst aus der Zeitung erfahren habe, ist deutlich, Bischof Huber und ich geben zu, daß man das auch hätte anders machen können, daß dieses aber kein hinreichender Grund sei, das Projekt selbst nicht zu unterstützen. Prof. Mundt macht dann konservatorische Einwände geltend, es sei gar nicht sicher, wieviele von den 5.000 Arbeiten ausstellbar seien, da sie ja auf den ohnehin sensiblen und komplizierten Bildträger-Papier und Pappe gearbeitet seien, manche auch gar nicht transportfähig seien etc. Wir erklären dazu, daß diese Fragen alle „cura posterior" seien, genauso wie die delikate Frage, wie die Auswahl der Bilder zu erfolgen habe, wenn man sich einmal einige. Wir erwarten die Grundentscheidung, daß Heidelberg sich an dem T4-Projekt durch Zuverfügungstellen einer hinreichenden Zahl von Bildern aus der Prinzhorn-Sammlung bereit erkläre. Immer wieder dann, wenn wir den Zusammenhang Euthanasie-Programm, T4, zu Schneider, Heidelberg herstellen, löst dies deutlich verärgerte Reaktion des Rektors der Heidelberger Universität aus. Am Ende „einigen" wir uns dahingehend, daß die Sache im Hause der Universität noch einmal erörtert und uns dann mitgeteilt wird, ob wir weiter verhandeln können oder ob dieses Verhandeln sinnvoll ist, weil Heidelberg sich jeder Zusammenarbeit verweigert. Dabei betone ich noch einmal, daß die zwischenzeitlich aufleuchtende Idee, daß Heidelberg bereit sei, irgendwann einmal eine Ausstellung in Berlin zu ermöglichen mit Leihgaben für einige Wochen, völlig indiskutabel ist. Es müßte eine hinreichend vertraglich gesicherte Garantie sein, daß in den nächsten Jahren - zumindest im nächsten Jahrzehnt - das Haus des Eigensinns -Museum der Wahnsinnigen Schönheit - mit der zu vereinbaren Mindestzahl an Werken aus der Prinzhorn-Sammlung bestückt ist. Heidelberg,
den 8. Juli 1998 Ergänzender Kommentar: Am 17.8.1998 hat sich die Universität Heidelberg durch Ihren Rektor Siebke endgültig jeglichem Kompromiss verschlossen. Die Morduniversität will am konsequenten Vertuschen ihrer Schuld festhalten. (R.T.) |
Aktenvermerk 31. August.2000 Gesprächstermin
über die Stiftung „Haus des Eigensinns" Am Termin nahmen teil Herr Bausenator Strieder, Frau Gesundheitsministerin Andrea Fischer mit einem Mitarbeiter, Frau Felicitas Tesch in Vertretung des Bundestagsabgeordneten Eckhardt Barthel, die Kulturpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Grünen, Frau Alice Ströver mit einem weiteren Mitarbeiter sowie von unserer Seite Frau Dorothea Buck, Dr. Norbert Kampe, der Architekt Andreas Hierholzer und ich. Frau Tesch übernahm die Gesprächsleitung. Auf ihre Bitte hin haben wir das Projekt „Haus des Eigensinns" noch einmal kurz erläutert. Ich habe die Struktur dargestellt (Freundeskreis/Stiftung/Museumbetriebsgesellschaft), die Mitglieder des Freundeskreises vorgestellt, den anonymen Stifter erwähnt und die Treuhänderstellung von Prof. Raue. Im Anschluß daran erläuterte Herr Dr. Kampe die Notwendigkeit der authentischen Erinnerung an die T4-Aktion am Ort des Geschehens selbst. Angesichts der dezentralen Denkmalstruktur Berlins, die mit der Entscheidung des Senates für das Sinti- und Roma-Denkmal ihren endgültigen Ausdruck gefunden habe, sei es unumgänglich, nunmehr auch für die Betroffenen der Euthanasie-Progrome eine angemessene Form des Gedenkens zu finden. Besonders leuchte in diesem Zusammenhang die duale Konzeption der bisherigen Planung ein, indem in der Gedenkstätte die Würde der seinerzeit Verfolgten in Gestalt von Kunst belegt werde. Im Anschluß daran ergriff Frau Ströver das Wort. Ziel der Besprechung am heutigen Tage sei es, ob es eine politische Unterstützung für das Projekt gebe, ob die bisherige Planung als gangbarer Weg angesehen werde und welche konkreten Schritte schließlich eingeleitet werden sollen. Dazu bedürfe es zunächst einer Klarstellung der Position des Berliner Senates. Herr Strieder meinte, aus seiner Sicht gebe es keinen Zweifel, daß die bislang am Ort Tiergartenstraße 4 befindliche Gedenkplatte keine ausreichende Form des Erinnerns sei. Allerdings sei nach seiner Auffassung völlig offen, welche geänderte Form ein Denkmal haben könne. Das bislang geplante Museum sei aufgrund seiner Größe und des problematischen Ortes wohl nur mit äußersten Schwierigkeiten durchzusetzen. Der Ensembleschutz für die bestehenden Gebäude, insbesondere die Philharmonie, sei dabei besonders zu beachten. Nach einer Unterbrechung der Sitzung durch einen Übungsalarm ergriff Frau Fischer das Wort. Sie hatte bereits in der Verhandlungspause gegenüber Frau Buck deutlich gemacht, daß es aus ihrer Sicht zunächst nur darum gehen könnte, das Grundstück für die Aktion zu sichern. Weitere Zugeständnisse des Senates oder auch von Herrn Strieder persönlich seien heute zweifellos nicht zu erreichen. Frau Fischer erläuterte in der Sitzung, warum sie das Projekt für außerordentlich wichtig halte und insbesondere der Auffassung sei, daß es mit einem bloßen Denkmal im Falle der T4-Aktion nicht getan sei. Anders als bei anderen Opfergruppen müsse hier ergänzend auch Aufklärung über das Geschehen geleistet werden und dazu sei eine Ausstellungs-/Museumskonzeption besonders geeignet. Sie sprach sich ausdrücklich für eine Unterstützung des Projektes in seinen Grundlagen aus, sagte aber weder Unterstützung durch Bundesmittel noch - vorerst - einen öffentlichen persönlichen Einsatz für das Projekt zu. Nochmals zu seiner Position hinsichtlich des Grundstücks befragt erklärte Herr Strieder, für ihn sei eindeutig, daß die Erinnerungsstätte für den Genozid nur am Ort Tiergartenstraße 4 stattfinden könne. Jeder andere Ort sei nicht authentisch. Er sehe aber hinsichtlich des Projektes selbst noch großen Diskussionsbedarf, weil die Konzeption offenbar noch ganz am Anfang stehe. So sei ihm bekannt, daß am Institut für Vergleichende Geschichtswissenschaften ein Arbeitskreis für die Erforschung der Geschichte der Euthanasie und der Zwangssterilisierung bestehe, der offenbar vorhabe, im Internet eine ausführliche, wissenschaftlich begründete Dokumentation zu veröffentlichen. Es gebe also noch alternative Ansätze. Aus seiner Sicht stehe fest, daß die Prinzhorn-Sammlung wohl nicht nach Berlin käme - das wäre eine, so wörtlich, Sensation -, deshalb müsse über die angemessene Form des Gedenkens noch ausführlich diskutiert werden. Herr Kampe erwiderte, auch das Haus der Wannsee-Konferenz unterhalte eine Internet-Seite, ohne daß die pädagogische Arbeit des Hauses selbst dadurch entbehrlich geworden wäre. Auch die übrigen Gesprächsteilnehmer, unterstützt durch die städtebaulichen Ausführungen des Architekten Hierholzer, meinten, es könne heute nicht um eine allgemeine Absichtserklärung über die generelle Unterstützung eines irgendwie gearteten Projektes gehen, sondern die nächsten politischen Schritte müssten konkret vereinbart werden. Es sei deutlich, daß der Freundeskreis mit seinen Mitgliedern und seinen Sprechern in den vergangenen Jahren viel bewegt habe, nun aber die politische Unterstützung hinzukommen müsse, damit die Sache weitergeht. Herr Strieder erklärte daraufhin, er sei bereit, mit Kultursenator Stölzl und Gesundheitssenatorin Schöttler eine gemeinsame Initiative abzusprechen, wonach zunächst einmal eine Kommission eingesetzt werden soll, die verschiedene Vorschläge prüft und dem Senat einen Entscheidungsvorschlag macht. Für diesen Vorschlag könne dann politisch geworben werden. Dazu wurde vereinbart, daß auch der Kreis der Betroffenen Sitz und Stimme in der geplanten Kommission haben soll. Der Freundeskreis wurde ausdrücklich aufgefordert, Vorschläge für eine sachkundige und angemessene Besetzung der Kommission zu machen. Dabei wurde deutlich, daß diese Kommission als Expertengremium ausgestaltet sein soll, dessen Empfehlung als Referenz für die beteiligten politischen Kräfte dienen kann. Insbesondere Senator Strieder ließ keinen Zweifel daran, daß ohne eine Kommissionsempfehlung und eine darauf gestützte breite gesellschaftliche Zustimmung, insbesondere ein Einlenken der CDU auf keinen Fall erwartet werden könne. Mit Frau Ströver haben wir dazu vereinbart, daß sie aus dem Freundeskreis kurzfristig einen Vorschlag für geeignete Kommissionsmitglieder erhält. Nach meinem persönlichen Eindruck sind Frau Tesch, Frau Ströver und insbesondere auch Bundesgesundheitsministerin Fischer nicht nur von der Notwendigkeit einer irgendwie gearteten Erinnerung, sondern auch von dem Projekt des Freundeskreises durchaus überzeugt. Es entspricht allerdings politischer Vorsicht, sich nicht sogleich öffentlich für ein bestimmtes Projekt auszusprechen, solange klar ist, daß es noch weitere Entwürfe und Vorschläge im Diskussionsprozeß geben wird. Indessen schien mir Frau Fischer soweit motiviert zu sein, daß sie in einem gesonderten Anschreiben noch einmal darum gebeten werden könnte, informell auf Bundesebene für das Projekt zu werben und auch Herrn Naumann noch einmal darauf anzusprechen. 31.
August 2000 Ergänzender Kommentar: am 11.9.2000 bat Prof. Raue Senator Strieder, die Aufgabe der angesprochenen "Kommision" auf die Möglichkeiten der Realisierung des Konzepts "Haus des Eigensinns" zu präzisieren, wenn der Freundeskreis daran in irgendeiner Form beteiligt sein soll. Seitdem hat Herr Senator Strieder nichts mehr von sich hören lassen, geschweige denn irgendetwas veranlaßt, womit er offenbart hat, daß es ihm ausschließlich um eine "Entsorgungs- und Verhinderungs-Kommision" ging. Dies hat er in einem persönlichen Gespräch mit einem Abgeordneten des Berliner Abgeordnetenhaus auch unumwunden zugegeben. (R.T.) |