Faksimile Wiedergabe und Zitate des Buches, das Karl Bonhoeffer 1934 herausgegeben hat:
Vorwort. Die hier gesammelten kurzen klinischen Vorträge sind auf Wunsch der Teilnehmer des erbbiologischen Kurses, der Anfang März in der Nervenklinik der Charité für Psychiater und Neurologen gehalten wurde, veröffentlicht worden. Abgesehen von dem von den Kursteilnehmern erbetenen Vortrag über die Technik der Sterilisation sind lediglich die psychiatrisch-neurologischen Fragestellungen, die sich aus dem Gesetz bei den in Betracht kommenden Erkrankungen im Einzelfall der Praxis für den Arzt ergeben, behandelt. Von der klinischen Diagnose hängt ja die Entscheidung des Erbgerichts ab, die Sicherheit der Diagnose ist die erste Voraussetzung für alles Weitere. Die Aufgabe des Arztes, insbesondere des Psychiaters, der die Diagnose zu stellen hat, ist also eine äußerst verantwortliche. Es sind nicht bloß die differentiellen Schwierigkeiten der Artdiagnose, die, wie jeder Kliniker weiß, oft nicht gering sind, z. B. bei der Frage, ob symptomatische oder schizophrene Psychose, ob endogene oder reaktive Depression, sondern vielleicht mehr noch solche der quantitativen Ausbildung der Erkrankung. Denn wo die Grenze zwischen einer erbbiologisch unbedenklichen Debilität und einem sicher auszumerzenden Schwachsinn gelegen ist, wann eine endogene Verstimmung dem Grade nach mit Sicherheit dem eigentlichen manisch-depressiven Irresein zuzuweisen ist, läßt sich nicht mit der Schärfe einer Paralysediagnose abgrenzen. Hier wird sich allmählich ein Übereinkommen in der psychiatrischen Praxis entwickeln müssen, das sich aus der Vertiefung der erbbiologischen und klinischen Erfahrung ergeben wird.
Durch das Gesetz sind für die psychiatrische Forschung starke Anregungen gegeben worden. So ist eine weitere Klärung der Kenntnis der Umgrenzung und auch der Verursachung der Schizophrenien und der Epilepsien mehr denn je Erfordernis. Das Studium der Manifestationstendenz von krankhaften Anlagen, ihre Beeinflußbarkeit durch exogene Faktoren gewinnt an Wichtigkeit. Auch bisher vom Kliniker weniger beachtete Fragen, wie z. B. die der Fruchtbarkeit bei den einzelnen Erbkrankheiten, die Häufigkeit des Vorkommens von Organanomalien, welche die Konzeption ausschließen, bedürfen der Untersuchung. Die Verkoppelung von krankhaftem mit eugenisch wertvollem Erbgut in demselben Individuum stellt besondere Aufgaben.
Aus der Erwägung heraus, daß durch regelmäßige Mitteilung der Erfahrungen aus den verschiedenen Kliniken der weitere Ausbau einer sachgemäßen Eugenik im Sinne des Gesetzes am besten gefördert wird, schien mir die Veröffentlichung der Vorträge geboten.
April 1934.
Bonhoeffer.
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Das manisch-depressive Irresein
• von KARL BONHOEFFER.
Die Punkte, die uns Klinikern beim Manisch-depressiven vom praktisch-eugenischen Gesichtspunkte aus von Wichtigkeit sind, sind in erster Linie folgende:
1. Ohne alle erbstatistischen Untersuchungen tritt jedem Kenner des Manisch-depressiven die Tatsache entgegen, daß wir es bei ihm mit einer außerordentlich starken Vererbungstendenz zu tun haben, wobei offenbar ein dominanter Einschlag in Betracht kommt. Unter den häufigeren neurologischen Affektionen ist es nur noch die Migräne, bei der uns in ähnlicher Aufdringlichkeit die Erblichkeit entgegentritt.
2. Das Manisch-depressive ist seinem Wesen nach keine eng umschriebene Krankheit, die sich in allen ihren Äußerungsformen scharf von der Norm abhebt, sondern es stellt, wenn man seine Reichweite überblickt, eine Reihe dar, an deren einem Ende Temperamentsanomalien und Stimmungsschwankungen stehen, die der Norm außerordentlich nahe stehen und die unter Umständen kaum eine Störung der Gesundheit und der beruflichen Leistung bedeuten, am anderen Ende stehen die schweren, mitunter das ganze Leben umfassenden phasischen Erkrankungen und dazwischen liegen die mannigfaltigsten nach Intensität und zeitlicher Ausdehnung wechselnden phasischen Abläufe. Die Frage ist nun: Läßt sich im Einzelfall durch klinische Beobachtung und Erblichkeitsuntersuchungen feststellen, bei welchem Grad der Krankheitsausbildung und unter welchen erbbiologischen Verhältnissen der Eingriff der Sterilisation eugenisch geboten ist? Sind etwa die klinisch leichten Fälle
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erbbiologisch besonders charakterisiert und auch erbbiologisch als leicht zu bezeichnen, und liegt es ebenso bei den schweren?
3. Das Manisch-depressive hat dadurch eine besondere eugenisch beachtliche Stellung, als es im Gefolge seiner einzelnen Attacken nicht zum Defekt führt. Nach Ablauf der Phase ist — das ist wenigstens die Regel — die intakte psychische Persönlichkeit wieder vorhanden. Es liegt also anders als beim Schwachsinn und auch anders als bei der Schizophrenie und Epilepsie. Die volkswirtschaftliche Schädigung durch die manisch-depressiven Erkrankungen ist gar nicht zu vergleichen mit der durch den Schwachsinn und die Schizophrenie verursachten Belastung der Allgemeinheit.
Die Frage des sterilisierenden Eingriffs wird hier zumeist mit einem urteilsfähigen Individuum zu diskutieren sein. Es wird im gegebenen Fall in besonderem Maße auf die freie Entschließung des Betreffenden hinzuwirken sein und auch mit Erfolg auf eine eugenisch sachgemäße Einstellung des Pat. hingewirkt werden können. Gerade im Umkreis des Manisch-depressiven kann man sehr häufig die Beobachtung machen, der man bei anderen Geisteskrankheiten kaum begegnet, daß die Pat. selbst aus einem starken Verantwortlichkeitsgefühl heraus und im Bewußtsein der Vererbbarkeit ihres subjektiv so schwer tragbaren Leidens den Arzt um Verhinderung des Nachwuchses bitten, um diesen vor ähnlichem zu bewahren.
4. Die Sippen, aus denen sich die Manisch-depressiven rekrutieren und ebenso die Manisch-depressiven selbst sind in einem nicht kleinen Prozentsatz geistig, künstlerisch und oft auch charakterlich hochwertiger Art. Sehr häufig sind
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sie in den Gemeinschaften ihres Interessenkreises irgendwie führend. Es ist das eine Erfahrung, die sich jedem Kliniker ergibt, und Luxemburger hat in seiner Studie über Berufsgliederung und soziale Schichtung der einzelnen Kathegorien von Geisteskrankheit, Psychopathien und Defektzuständen im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung dafür auch den statistischen Nachweis geliefert. Die Frage ist also auch ganz besonders die, wie man den positiven eugenischen Werten in den manisch-depressiven Sippen gerecht wird.
Wenn ich zu diesen 4 Punkten noch einiges Spezielle sagen darf, so ist zunächst die Frage der Verbreitung der Manisch-depressiven in der Bevölkerung von Wichtigkeit. Denn es ist klar, je verbreiteter eine solche erbbiologisch einerseits bedenkliche, andererseits aber auch oft mit Wertvollem verkoppelte Anlage ist, um so wichtiger und schwieriger ist die Ausmerze des Schädlichen, über die Häufigkeit des Manisch-depressiven besteht keine volle Einmütigkeit. Es ist charakteristisch, daß ein Kollege aus einer Anstalt, den ich gebeten hatte, das Referat über das Manischdepressive zu übernehmen, das ablehnte, weil sein Anstaltsmaterial ihm darüber zu wenig an Erfahrung böte. Ich glaube, er hat darin recht, wenn man über die Verbreitung des Manisch-depressiven ein Urteil bekommen will, darf man sich nicht auf das Anstaltsmaterial beschränken, sondern muß den Zugang der Polikliniken und Privatsprechstunden überblicken. Das gibt ganz andere Zahlen. Ich glaube auch nicht, daß es richtig ist, wenn vielfach behauptet wird, daß große Stammesunterschiede hinsichtlich der Verbreitung des Manisch-depressiven bestehen, daß ins-
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besondere Norddeutschland sehr viel ärmer an Manisch-depressiven sei als Süd- und Mitteldeutschland, speziell als Schwaben, Thüringen und Sachsen. Wahrscheinlich ist es nur so, daß in diesen deutschen Stämmen Sippen mit schwereren Erkrankungsformen vielleicht häufiger sind. Ich kenne das Berliner Material seit 22 Jahren und habe lange Jahre auch das Breslauer Material, auch Königsberg und Heidelberg, wenn auch die letzteren nur in kurzem Überblick, gesehen. Nach meinen Erfahrungen muß ich sagen, daß das Manisch-depressive im Norden eine große Verbreitung besitzt, vor allem die leichteren, dem endogen Depressiven zugehörigen Erkrankungen sind etwas durchaus häufiges.
Ich habe, um eine unverbindliche Stichprobe zu machen, in meinem Sprechstundenmaterial die letzten beiden Jahrgänge durchgesehen. Es hat sich dabei in jedem Jahrgang etwa 20 Prozent des Gesamtmaterials als dem Manischdepressiven zugehörig gezeigt. Demgegenüber wird das Aufnahmematerial der Kliniken auf etwa 10 Prozent geschätzt, das der Anstalten auf noch weniger. Es ergibt sich daraus, daß nur ein geringer Teil der Manisch-depressiven in eigentliche Anstaltsbehandlung kommt und ein noch kleinerer Teil als Dauerinsassen.
Tatsächlich ist es erfahrungsgemäß so, daß ein recht großer Prozentsatz der dem manisch-depressiven zugehörigen Patienten, wenn nicht ein eklatanter melancholischer Symptomenkomplex mit melancholischen Inhalten und starker Hemmung vorliegt, überhaupt verkannt wird. Sie gehen unter der Flagge der Neurasthenie oder als Organneurosen, Magen-, Darm-, Herzneurosen, sehr häufig als Sexual-
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neurasthenie wegen des begleitenden Potenz- und Libido-verlustes, als Agrypnie, je nachdem die einzelnen körperlichen Begleiterscheinungen mit besonderer Betonung vorgetragen werden. Sie beunruhigen dann den behandelnden Arzt ebenso häufig durch die Erfolglosigkeit aller angewandten lokalen Behandlungen, wie sie ihn überraschen durch eine oft plötzliche, von der angewandten Therapie ganz unabhängige Genesung, gelegentlich aber auch durch ein Suizid, das den hinter den Beschwerden stehenden bis dahin unterschätzten depressiven Affekt plötzlich beleuchtet. Vielfach kommen sie — es handelt sich häufig um hypochondrisch gefärbte manisch-depressive Mischzustände — erst in die psychiatrische Beobachtung, wenn die Lokalbehandlung der Inneren, Chirurgen oder Organspezialisten versagt hat. Für diese dem Fachneurologen wohlbekannten Fälle ist ohne Zweifel das Wort Irresein nicht am Platze, und man muß, wenn man solche Fälle im Auge hat, Kurt Schneider recht geben, wenn er sagt, daß die Bezeichnung manisch-depressives Irresein schlecht angebracht ist, weil diese Kranken nicht irre sind und weil häufig auch die manischen Komponenten klinisch so gut wie ganz ausfallen. Daß sie trotzdem in die Gruppe gehören, ergibt sich aus der Periodizität, dem Grundtemperament und meist auch aus den Erblichkeitsverhältnissen. Es handelt sich dabei um Individuen, die ihrem Beruf oft gar nicht und jedenfalls nur vorübergehend für Wochen oder Monate entzogen werden, die außerhalb der Phasen vollwertige, oft sogar besonders tüchtige Menschen in ihrem Berufe sind. Es ist längst und nicht erst unter dem Gesichtspunkt der heutigen Situation als Bedürfnis erschienen, hier nicht von manisch-
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depressivem Irresein zu sprechen, sondern von zyklothymer Psychopathie oder nach Bumke in etwas veränderter Anwendung eines Bleulerschen Ausdrucks von Thymopathie. Wir kommen mit dieser Gruppe an die Grenze, wo sich die krankhafte Anlage mit den der Norm sich nähernden Verstimmungen berührt. Man kann wohl im allgemeinen sagen, daß
d i e s e r P e r s o n e n k r e i s d e r M e h r z a h l
n a c h n i c h t i n d e n B e r e i c h d e r
A u s z u m e r z e n d e n g e h ö r t. Freilich muß man sich klar sein, daß noch allerhand Fragen offen sind. Irgendetwas Exaktes über die genauen Erbbeziehungen dieser leichten Thymopathien zu den schweren Formen des Manisch-depressiven ist meines Wissens nicht bekannt. Man hat wohl als Kliniker Einzelerfahrungen und den Gesamteindruck, daß im Blutverwandtenumkreis und wohl am häufigsten bei den unmittelbaren Aszendenten hier und da mal ein Suizid vorgekommen oder eine Anstaltsbehandlung nötig geworden ist, man kann Ähnlichkeiten oder Gegensätzlichkeiten im Temperament bei den Aszendenten und Geschwistern feststellen, man trifft aber auch oft auf lebendige Aktivität, besondere Tatkraft und Künstlertum, warmherzige Menschlichkeit in diesem Umkreis. Unter welchen besonderen erbbiologischen Verhältnissen es aber bei den Deszendenten dieses Personenkreises zu den schweren Formen der melancholisch-manischen Geisteskrankheit kommt, ist durchaus nicht hinreichend geklärt. Es ist — glaube ich — eine wichtige Aufgabe, einmal den engeren Kreis dieser leichten Zyklo-thymiker, wie sie sich in Privatsprechstunde, Polikliniken, Sanatorien und auch im gewöhnlichen Leben finden in größeren Zahlen hinsichtlich der Erblichkeitsverhältnisse zu
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untersuchen. Vielleicht ergeben sich dann doch allmählich Gesichtspunkte, die es ermöglichen, die unbedenklichen und vielleicht sogar zu fördernden Teilanlagen von dem eugenisch Bedenklichen klinisch zu trennen.
Wie hat man sich nun den ausgesprochen manischdepressiven Erkrankungen gegenüber zu verhalten?
Bei den schweren Formen — darunter verstehe ich die ausgesprochenen, häufig sich wiederholenden, langdauernden Erkrankungen melancholischer oder manischer Art und die eigentlichen unter Umständen durch Jahre sich hindurchziehenden zirkulären Formen — wird man die Indikation zur Sterilisation gegeben sehen. Das hört sich einfacher an, als es in der Praxis ist. Denn man kann es klinisch einer ersten melancholischen Depression nicht ansehen, ob und wann sie sich wiederholt. Es ist keineswegs eine klinische Rarität, daß es bei einer einmaligen Phase bleibt, oder daß nach einer Phase in der Jugend eine zweite in der Klimax oder im Präsenium kommt und daß dazwischen ein voll ausgefülltes Leben fruchtbarer Arbeit liegt. Soll man nun bei jeder als dem manisch-depressiven zugehörig erkannten ersten Erkrankungsphase die Indikation zur Sterilisation gegeben sehen? Ist es unbedingt im Interesse der Nachkommenschaft gelegen, wegen der Möglichkeit des Auftretens solcher einmaliger oder jedenfalls seltener und nur wenige Monate dauernden Erkrankungen die Fortpflanzung ganz zu unterbinden? Wenn ich überblicke, was mir im Laufe meiner ärztlichen Tätigkeit an Trägern manischdepressiver Anlagen, die gelegentlich depressive oder manische Phasen gehabt haben, begegnet ist, was sich unter ihnen und ihren Deszendenten an Werten von höher
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künstlerischer, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Begabung findet, so kann ich diese Frage nicht kurzer Hand bejahen. Wir müssen noch viel Genaueres über die erbbiologischen Beziehungen der Einzelablaufe der manisch-depressiven Erkrankungen wissen, damit wir dann auch klinisch schon bei der ersten Attacke einigermaßen in die Lage kommen, sicherere Prognosen über den späteren Verlauf zu stellen.
Ich möchte deshalb vorläufig folgende Stellung bei diesen Erkrankungen einnehmen: Das Manisch-depressive steht in seiner eugenischen Bedeutung auf einer etwas anderen Linie als die übrigen im Gesetz aufgeführten Erbkrankheiten. Gerade weil es sich um eine an sich nicht zum Siechtum und geistigen Verfall führende Erbkrankheit handelt, sondern um eine, welche die soziale Brauchbarkeit der Individuen meist nur vorübergehend ausschaltet, sich außerdem häufig mit wertvollen Erbanlagen verbindet, so wird man sich die Erbqualitäten der betreffenden Sippe nicht nur hinsichtlich des krankhaften, sondern auch hinsichtlich der besonderen Begabungsanlagen ansehen müssen und sie in ihrem gegenseitigen Verhältnis abzuschätzen versuchen. Man wird einen Kranken, bei dem die Familienanamnese eine starke Neigung zu schweren manisch-depressiven Erkrankungen ergibt, und der Patient selbst schon früh Neigung zu phasischen Schwankungen zeigt, und andererseits in der Sippe keine besonderen Begabungsanlagen bestehen, auch schon nach einer ersten klaren und länger dauernden manisch-depressiven Erkrankung Unfruchtbarmachung empfehlen. Man wird aber in einer Sippe geistig hochstehender Individuen behutsam sein und die Möglichkeit einer Erkrankung eines Deszendenten in Kauf nehmen,
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wenn auf der anderen Seite wertvolle Positiva erbbiologisch zu erwarten sind. Man wird das besonders dann tun dürfen, worauf Luxemburger hinweist, wenn der Kranke ein Einzelkind ohne Geschwister ist und er der einzige Träger auch der guten Erbmasse ist. Man wird auch bei einem günstig gelagerten hyperthymischen Temperament, das sich in wertvoller Aktivität und Produktivität auswirkt, trotz einzelner phasenhafter Schwankungen unter Umständen nicht zögern, die Fortpflanzung dieser Temperamentseigenart eher zu fördern, als zu verhindern.
Alles in allem heißt es gerade beim Manisch-depressiven: Kein Schematismus, sondern sorgfältigstes Prüfen jedes Einzelfalles.
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Anhang Die Technik der Unfruchtbarmachung
von G. A. WAGNER.....
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Nach dem allgemein geltenden Standpunkt der Heilkunde, daß nicht ungefährliche Heilmittel nur dort anzuwenden sind, wo es sich um die Beseitigung eines gefährlichen Leidens handelt, und daß zwischen der Gefährlichkeit der Krankheit und der des Heilverfahrens ein bestimmtes Verhältnis bestehen muß, wird bei der Frau die Indikation zur Unfruchtbarmachung mit besonderer Sorgfalt zu stellen sein. Ohne Bedenken wird man die unfruchtbar machende Operation bei einem Mädchen oder Weibe machen, das selbst
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so schwer erbkrank ist, daß die bei verläßlicher Technik übrigens ganz minimale Gefährdung der zu Operierenden riskiert werden darf, weil die Erhaltung dieses Lebens für Niemanden von Wert. ist. Unsere Zeit ist — Gott sei dank — wieder etwas härter geworden im Hinblick auf große Ziele, die zu erreichen gelegentlich auch Opfer fordern mag. Hier wird der Arzt also in keinen inneren Konflikt kommen, wenn er auch weiß, daß der nicht restlos ungefährliche Eingriff nicht im Interesse der Operierten selbst gemacht wird.
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