Autoritäre
Revisionismus in der Heidelberg Psychiatrie,
das Erbe von Hans Prinzhorn und Carl Schneider
Wie
die Reaktion eines Psychiaters auf die Dada-Ausstellungen im Ersten
Weltkrieg zu den medizinisch begründeten Massenmorden der Nazis im Zweiten
Weltkrieg führte. Die wahre Geschichte der berüchtigten "Prinzhorn"-Sammlung
in der Heidelberger Universität und der Zweck, dem sie diente.
Vorwort
Hundert
Jahre ist es nun her, dass Hans Prinzhorn 1922 sein Buch "Bildnerei
der Geisteskranken" veröffentlichte. Höchste Zeit also, eine Bilanz
zu ziehen, welche Spur der Zerstörung dieses Konzept der Medizinalisierung
bzw. Pathologisierung von Kunstwerken hinterlassen hat. Die hegemoniale
Erzählung besagt, dass die geisteskranke "Outsider-Kunst" von diesem
deutschen Psychiater entdeckt wurde, der die Werke in der Heidelberger
Universitätsklinik, für die er arbeitete, sammelte und ihre Existenz
in diesem angeblich bahnbrechenden Buch veröffentlichte, das sie und
ihren Einfluss in der Welt bekannt machte.
Als wir auf eine aktuelle Version dieses Klischees stießen, die von
dem Guardian-Journalisten Charlie English geschrieben wurde, beschlossen
wir in der International Association Against Psychiatric Assault,
dass es an der Zeit ist, eine andere Sichtweise dieses Ereignisses
zu veröffentlichen, die sowohl auf der Kenntnis der Fakten und der
Chronologie beruht als auch darauf abzielt, den Opfern ihre Menschenwürde
zurückzugeben.
Wir
widersprechen der Mystifizierung von "Kunst und Wahnsinn", indem wir
die Bedeutung von Hans Prinzhorn für das NS-spezifische Konzept der
"entarteten Kunst" aufzeigen. Prinzhorn war ein ideologischer Wegbereiter
für den systematischen medizinischen Massenmords (der wiederum ein
wichtiger Entwicklungsschritt zur Shoah war).
Im 1. Weltkrieg
fand 1916 die erste Dada-Ausstellung in der Schweiz statt. "Die
erste große Anti-Kunst-Bewegung, der Dadaismus oder Dada, war eine
Revolte gegen die Kultur und die Werte, die das Blutbad des Ersten
Weltkriegs verursacht hatten. Die Bewegung entwickelte sich schnell
zu einer anarchistischen Form der avantgardistischen Kunst, deren
Ziel es war, das Wertesystem der herrschenden Organisation, die den
Krieg zugelassen hatte, zu untergraben, einschließlich der Kunstinstitution,
die sie als untrennbar mit dem gesellschaftspolitischen Status quo
verbunden ansahen."1 Mehrere der
Aussteller: Hans Arp, Hans Richter, Walter Serner, Ferdinand Hardekopf
steuerten Werke bei, während sie sich in der psychiatrischen Heilanstalt
Kilchberg aufhielten.2 Natürlich kann
man behaupten, dass sie "geisteskrank" waren,3
aber man darf auch nicht vergessen, dass mehrere von ihnen keine Schweizer
Bürger waren und der Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt ihnen
Asyl vor der Rückkehr in ihre Länder und einer gewiss zwangsweisen
Einberufung bot.
Der
Hintergrund der Dada-Ausstellungen und vielleicht auch anderer neuer
Kunstbewegungen in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts [Kubismus,
Futurismus, Negerkunst usw.4] ist der
Grund für die Reaktion des autoritären Heidelberger Revisionismus
in Form des Prinzhorn-Buches, eine Reaktion, die die in der psychiatrischen
Abteilung der Universität Heidelberg erworbene Sammlung durch die
diagnostische Verleumdung der Autoren der Werke in klinisch-psychiatrischer
Hinsicht definiert.
Dies ist eine diagnostische Verleumdung der Autoren der Werke in klinisch-psychiatrischer
Hinsicht. Prinzhorn schrieb 1919 einen Brief, in dem er alle Anstalten
aufforderte, ihm die von ihren Insassen geschaffenen Werke zuzusenden.
Damit nutzte er die in psychiatrischen Anstalten in ganz Deutschland,
auch in Heidelberg, übliche Praxis, dass Psychiater diese Werke in
Besitz nahmen und sie als klinische Beweise zur Untermauerung ihrer
psychiatrischen Diagnosen in die Krankenakte aufnahmen. Dies war vergleichbar
mit der Plünderung durch die Kolonialherren. Prinzhorn sammelte diese
Werke nicht nur illegal5 (d. h. er kaufte/bezahlte
sie NICHT) für ein "Museum für pathologische Kunst"6
oder "sein ersehntes Museum für pathologische Kunst"7,
sondern betrachtete sie auch NICHT als Kunstwerke. Charlie English
schreibt darüber, aber noch deutlicher wird es in dem klinischen Begriff,
den Prinzhorn dem Titel seines Buches gibt: "Bildnerei". Er bedeutet
so viel wie "Bildprodukte".
Die
Konsequenzen:
A)
Dass
die Entwicklung des Dadaismus einen tiefgreifenden Einfluss auf die
deutsche Kunst und Lyrik in den 1910er und 1920er Jahren hatte, lässt
nur einen Schluss zu: Der Dadaismus war eine echte Herausforderung für
die Kunst und insbesondere die Poesie des 20. Jahrhunderts, da er sich
gegen die traditionellen Stile und Werte richtete, die für die traditionelle
Kunst und Poesie in der gesellschaftlichen Ordnung charakteristisch
waren8, auch wenn die Dadaisten nur etwa
ein Jahrzehnt lang experimentierten. Gleichwohl sind die Dadaistische
Einflüsse in den literarischen Bewegungen des 20. Jahrhundert noch lange
bemerkbar.
Gegen
dieses Einreißen traditioneller Grenzen setzte die Heidelberger Universitätspsychiatrie
mit Hans Prinzhorns Sammlung "Bildnerei der Geisteskranken" die Pathologisierung
der Kunst durch die medizinische Verurteilung der Kunstschaffenden als
"Geisteskranke" auf der Grundlage psychiatrischer Diagnosen. Die Kunst
wurde also nicht mehr nach dem Werk, sondern nach dem vermeintlich kranken
Geisteszustand der Künstler beurteilt oder besser gesagt verurteilt.
Wir bezeichnen das als Autoritären Revisionismus. Die
Universität Heidelberg machte sich schuldig, auf die Befreiung der Kunst
durch den Dadaismus mit diesem autoritären Revisionismus reagiert zu
haben und damit diesen bahnbrechenden Schritt für die modernisierende
Kunst des 20. Jahrhunderts zu revidieren. Von der „Katherale der
Vernunft“ - der Universität und ihrer Psychiatrie - ging die Initiative
aus, Kunst als Krankheit zu verleumden, indem sie dem Wahnsinn von Geisteskranken
zugeordnet wurde. Diese Schuld hält bis heute9
an, denn Künstler werden nach wie vor als "Künstler, die anders sind"
diskriminiert10, wenn sie aus Heimen und
psychiatrischen Anstalten kommen oder dort bereits interniert waren.
Wilmanns und Prinzhorn beabsichtigen mit den in psychiatrischen Anstalten
bösgläubig erworbenen Kunstwerken, d.h. mit Raubkunst, in Heidelberg
das psychopathologische Museum zu etablieren, das am 13.9.2001 eröffnet
wurde.11
..wenn
nicht der Führer Einhalt geboten hätte12
B)
Diese
Grundstruktur wurde im nächsten Schritt ab 1933 weiter entwickelt:
Aus "krank" wurde "entartet". Im Deutschen hat das Wort
durch den prägenden Wortteil "art" eine besondere, in anderen Sprachen
regelmäßig nicht verstandene Bedeutung. Eine Art ist eine biologische
Grundeinheit. Mit dieser demagogisch geschickten Wortwahl wurde nicht
nur Krankheit (innerhalb der Gruppe des Homo sapiens) begrifflich
gefasst, sondern eine Grenze zum Menschen als solchem gezogen. Diese
Bedeutung kann nur als eine Gattungsgrenze verstanden werden, bei
der die Ausgeschlossenen zu so etwas wie sich bewegendes Fleisch entwürdigt
wurden. Das moralisch zentrale Verbot des Mordes war damit gefallen.
Es markiert die ideologische Vorbereitung der exterministischen Ausgrenzung,
zunächst durch Zwangssterilisation und Heiratsverbote, dann ab 1939/40
durch den Mord in der Gaskammer, der 1942 in die Gasmordfabriken im
besetzten Polen exportiert wurde. Ab 1941 wurden die zentral organisierten
Morde direkt in die psychiatrischen Gefängnisse verlegt und durch
Todhungern lassen bis 1948/49 fortgesetzt.13
C)
Die logische Konsequenz dieser radikalen Ausgrenzung
sprach dann Carl Schneider, der Nachfolger von Karl Wilmanns als Chefarzt
der Heidelberger Universitäts-Psychiatrie ganz offen aus. In seinem
1939 vom Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten veröffentlichten
Vortrag beschrieb er die Absicht, dass die moderne Kunst und die Urheber
dieser Kunst das gleiche Schicksal ereilen sollte, wie er es kurz
danach bei den Geisteskranken exekutierte, also deren Ermordung. Wie
bei den Geisteskranken würde er diese vorher auswählen, exlizit erwähnt
wurde Otto Dix. Dann hätte er sie genauso ermorden lassen, um nach
der Ermordung deren Gehirne zu sezieren und sie als Exponate seinen
Studenten im Hörsaal der Universitätspsychiatrie präsentieren zu können,
genau dort , wo heute die sogenannte "Sammlung Prinzhorn" zur Verhöhnung
ihrer Opfer gezeigt wird, um die Hegemonie und diagnostische Kraft
der Psychiatrie zu demonstrieren.
D)
Mit
dieser ideologischen Grundstruktur wurde nach 1949 nicht gebrochen,
sondern nur das Morden hörte auf. Sie setzte sich in "Kunst und Wahn"
unverändert fort und ist nach wie vor Grundlage von Ausstellungen
wie z.B. 2005 in der "Biennale meine Welt" des Museums Junge Kunst
in Frankfurt-Oder.14
Dass Charlie English für sein Buch "The Gallery if Miracles and
Madness" aktiv mit der Sammlung Prinzhorn zusammen arbeitete,
kann dann nicht mehr überraschen, zumal er den vierten Teil seines
Buches mit "Euthanasia" betitelt, eben jenem Wort, das in der
Sprache der Ärzte-Nazis zur Vertuschung des Mordens verwendet wurde
und auf dessen nicht weitere Verwendung wir als wichtigste Forderung
seit der Veröffentlichung am 17.2.2009 unermüdlich hingewiesen haben:15
Helfen Sie, die perfekten Nazi-Morde dadurch imperfekt zu machen,
dass...
1. ...der Nazi-Jargon "Euthanasie" (= ärztlich-assistierter Suizid)
aus dem Sprachgebrauch verbannt wird, wenn damit der systematische
ärztliche Massenmord von 1939 bis 1949 gemeint ist. Die Nazis haben
das Wort "Euthanasie" gebraucht, um zynisch zu unterstellen, dass
es die Opfer selber waren, die ihren Tod gewünscht hätten. Wenn Sie
diesen Begriff benutzen, werden die Opfer noch einmal - JETZT –
entwürdigt. Wenn Sie dieses Wort für den systematischen ärztlichen
Massenmord von 1939 bis 1949 benutzen, helfen Sie, Ärzte-Nazi-Ideologie
zu reproduzieren, bringen Solidarität mit den Tätern zum Ausdruck
und beteiligen sich am Versuch der Vertuschung von deren Schuld.
Fazit:
Wir
vermissen bis heute eine Solidaritätsbekundung der Kunstwelt mit den
verfolgten Künstlern in der Psychiatrie. So steht von Seiten der Kunst
bis heute der Schritt aus, sich mit den verfolgten Künstlern in der
Psychiatrie zu solidarisieren. Hingegen waren die Pariser Studenten
vorbildlich, als sie 1968 in Solidarität gegen die Ausweisung von
Daniel Cohn-Bendit durch die De-Gaule-Regierung mit dem Slogan demonstrierten:
Wir sind alle deutsche Juden.
Das fehlt, denn auch Lucy Wasensteiners 2019 erschienenes Buch The
Twentieth Century German Art Exhibition: Answering Degenerate Art
in 1930s London16 über die Londoner
Ausstellung von 1939 lässt genau diesen Punkt vermissen. Auch hier
wird nur auf die "ordentliche" Kunst der damaligen Zeit verwiesen,
während die Kunst der angeblich "Verrückten und Geisteskranken" weiter
diskriminierend unerwähnt bleibt, obwohl sie gleichzeitig von Mord
und Totschlag bedroht waren, bzw. verfolgt, eingesperrt und misshandelt
wurden.
Als eine Möglichkeit, gegen diese andauernde Diskriminierung
vor zu gehen und den Mythos von Kunst und Wahn endlich zu brechen,
schlagen wir, IAAPA, eine Ausstellung an einem prominenten Ort vor,
nur mit Kunstwerken von Autoren vor, deren Namen nicht bekannt werden.
Eine wilde Mischung von Autoren, die in der Zwangspsychiatrie unterdrückt
wurden, und von Psychiatern.
Denn entweder bricht die Moderne, wie Dada, mit den Grenzen von Konventionalität
und Normalität in der Kunst, auch der Anti-Kunst, und hebt diese Grenzen
auf, oder sie hält an der Vorstellung fest, dass sich „Geisteskrankheit“
in "Bildnerei" zeigen könne - Prinzhorns Wortwahl - das die Werke
der in den Psychiatrien Eingesperrten und Verleumdeten von der Kunst
ausschließt.
Und selbstverständlich muss endlich die Sammlung der
Beutekunst im Hörsaal der Mörder in Heidelberger aus den medizinischen
Fängen der Psychiatrie befreit und in ein "Haus des Eigensinns" überführt
werden, bis sie ihren rechtmäßigen Besitzern, den Erben der Autoren,
übergeben werden kann.17
Hagai
Aviel, Tel Aviv, Israel, avielhagai[at]gmail.com
-
René
Talbot, Berlin, Deutschland, r.talbot[ät]berlin.de
Auch
auf Englisch veröffentlicht hier im Blog
Mad in America:
https://www.madinamerica.com/2022/03/looting-outsider-art-psychiatry
----------------------------------------------------------
1
https://www.daskreativeuniversum.de/dadaismus-dada-merkmale
2 https://www.sanatorium-kilchberg.ch/site/assets/files/1259/20160620_mm_sanatorium
_kilchberg_dada_ich_und_bermich_4603.pdf
3 Nach eigenem Bekunden war Hans Richter für den Rest seines
Lebens dankbar dafür, dass er mit der psychiatrischen Krankheit "jugendlicher
Schwachsinn" medizinisch verleumdet wurde!
4 All die Kunstbewegungen, die so im Vortrag von Carl Schneider
mehrfach erwähnt wurden.
5 Gutachten Prof. Peter Raue: https://www.dissidentart.de/eigensinn/ungekuerztergutachten.htm
6 Das zitiert Charlie English in The Gallery of Miracles and
Madness auf Seite 25 aus Hans Prinzhorns Rundbrief vom Juni 1919 und
7 The Gallery of Miracles and Madness von Charlie English, Seite
43
8 Siehe z.B. Kurt Schwitters „Sonate in Urlauten“:
https://www.dissidentenfunk.de/archiv/s0504/audio/lo/t04.mp3
sowie: https://youtu.be/l8OzOUGe5f8 und https://youtu.be/1qLKu3R8no4
und Dadaism and German Poetry essay https://www.proessay.com/dadaism-and-german-poetry-essay
9 Wir haben das durch die unter Protest verlassene Vernissage
der "Biennale meine Welt" in Frankfurt Oder dokumentiert: https://youtu.be/0lMauyX51z4?t=1635
Text der Protest-Rede hier: https://www.die-bpe.de/biennale_meine_welt.htm
10 Siehe Video der Eröffnung der Ausstellung „Bennale meine
Welt“ am 13.3.2005:
https://youtu.be/0lMauyX51z4?t=1636
11 https://web.archive.org/web/20170509215044/http://www.autonomes-zentrum.org/ai/prinzhornprotest.html
12 Zitat
aus "Entartete Kunst und Irrenkunst", Rede des Chefarztes der Heidelberger
Universitätspsychiatrie Carl Schneider, der Nachfolger von Wilmanns
als Leiter der Psychiatrischen Klinik in Heidelberg und dessen Sammlungsleiter
Hans Prinzhorn, gehalten am 19. März 1939 ist, veröffentlicht in Archiv
für Psychiatrie Und Nervenkrankheiten, 1939 – Springer https://link.springer.com/article/10.1007/BF01814830
In der Rede bezieht er sich unter Anderem auf die Malerei von Otto Dix,
aber auch auf Texte von Schwitters. Entartete Künstler und psychisch
kranke Künstler hätten gemeinsam, dass sie von der Arbeit befreit seien
und ihre Arbeit von Kommunisten und Juden gefördert wird und das gefährdet
die nordischen wahren Künstler. Dann berichtet er von seinen berühmt
berüchtigten Erkenntnissen aus der Arbeitstherapie (wofür ihn auch Klaus
Dörner in Klassische Texte neu gelesen, in Psychiatrische Praxis 13
(1986), S. 112-114 so verehrt: Carl Schneider, "der wissenschaftstheoretisch
im 20. Jahrhundert kaum zu überbietende Theoretiker..."). Man kann den
schizophrenen Künstler durch entsprechende medizinische Betreuung dazu
bringen, dass er normale Arbeiten produziert - indem man seine Werke
zerstört und ihn zu einem normalen Beruf führt. Der vollständige Text
der Rede ist hier dokumentiert: https://link.springer.com/article/10.1007/BF01814830
13 Heinz Faulstich, Hungersterben in der Psychiatrie 1914-1949
14 Siehe Video der Eröffnung der Ausstellung: https://youtu.be/0lMauyX51z4?t=1636
15 https://www.iaapa.de/8_demands.htm und https://www.iaapa.de/8_demands.htm#dt
16 https://www.amazon.com/Twentieth-Exhibition-Routledge-Research-Exhibitions/dp/1032094605
17 Siehe die 7. Forderung: http://www.iaapa.de/8_demands.htm
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(Im
Folgenden eine sinngemäße Übersetzung):
Mit der Ausstellung 1937 wurde in nationalsozialistischer Bildungsabsicht
die Kunst des 20. Jahrhunderts als Produkt von "wertlosen Gehirnen"
verunglimpft, die ausgerottet werden sollte. Die Werke wurden zum Vergleich
Seite an Seite mit den Werken psychiatrischer Gefangener aufgehängt.
Sie waren zu Anfang des Jahrhunderts von Hans Prinzhorn, einem Psychiater
der Heidelberger Unitversitäts Psychiatrie geplündert worden. Zu
beachten ist, dass sich dieses entscheidende Element der Ausstellung
in der Regel bis in die heutige Beschreibung gehalten hat.
Die
Organisatoren nannten immer die Preise, die für die Kunstwerke
aus den Museen und Galerien des Staates bezahlt wurden und verglichen
das damit, welche Gelder vom Staat für Wohnungs- und Sozialhilfe für
die Betreuung der "nutzlose Esser"
in psychiatrischen Institutionen aufgebracht wurde.
"Konsequenterweise
führte die Theorie degenerierten künstlerischen Schaffens
und die Praxis der Kunsterziehung und
Kunstkritik angeblich entartet Kunst zu einer allmählich zunehmenden
Anhäufung angeblich pathologischer Elemente im künstlerischen Leben.
Diese füllte nun mit ihrem Lärm in allen möglichen Schattierungen
von leicht irritierend bis verklemmpt neurotisch den Kunstmarkt. Aus
den mehr oder weniger nur sozial Irritierenden wurde der schizophrene
Psychopath.
...überall
wollten
Gesunde oder sich konform gebende oder medizinisch Behandelte sich das
zu nutze machen...nur ein
Beispiel: Otto Dix (siehe
seine Bilder hier) stellte sexuelles "Material, wie
es genannt wurde", als vorderster Schutzengraben dar, der Mutterschaft
und Geburt zu einem ekelhaften und beleidigenden Prozess herabwürdigte.
Trauer wurde zu einer grimmigen Grimasse, Ehrfurcht zu höllische Angst,
die Wunde eines Kriegsopfers wurde plakativ verspottet..."
Hier
sind die Ereignisse in umgekehrt zeitlicher Folge
-
1939:
Deutsche Psychiatrie-Insassen waren die ersten, die in Gaskammern,
die in 6 psychiatrischen Anstalten installiert worden waren, massenhaft
ausgerottet wurden. Obwohl die Vernichtung in Gaskammern 1941 gestoppt
wurde, wurde die Ausrüstung und das Mord-Personal, das sie bediente,
in die Vernichtungslager in Polen und Russland verlegt und das Morden
durch tödlich Injektionen und Hunger ging in allen psychiatrischen
Einrichtungen bis 1948-9 ungestört weiter.
- 1933:
Das Gesetz zur Einrichtung von Erbgesundheits-Gerichten
- 1922:
Veröffentlichung des Prinzhornbuchs
Die
Psychiatrie der Universität Heidelberg hat niemals Eigentum an den gesammelten
Kunstwerken in der Sammlung Prinzhorn erworben
Stellungnahme des
Urheberrechtsspezialisten Prof. Peter Raue vom
3. Juli 1996, was dies beweist.
Die
mörderische Heuchelei der Heidelberger Psychiatrie!!
Während sie die Kunst plünderte und - während des NS-Regimes - benutzte,
um in der obigen Ausstellung Mord an den Autoren der Kunst zu rechtfertigen,
sowohl derer, die in psychiatrischen Einrichtungen inhaftiert waren und
jener, deren Werke gekauft und öffentlich in Galerien und Museen aufgehängt
wurden, obwohl sie die Werke nie als Kunst anerkannt hatte.
Oben
sind einige der Kunstwerke aus der Sammlung Prinzhorn
Siehe
mehr Kunst
Die
Psychiatrie der Universität Heidelberg pathologisiert Kunst
Aber
ist es nicht bemerkenswert, dass nicht mit einem einzigen Wort erwähnt
wird, wie in Heidelberg Kunst in der sogenannten "Prinzorn-Sammlung"
gesammelt wird, wo Künstler verfolgt und ermordet wurden?
- sie hat die Sammlung
bösgläubig erworben
- sie hat die Psychiatrisierten
zum Objekt und Opfer einer Wissenschaft mit Mord auf Bestellung gemacht
und war aktiv an der Legitimation des nationalsozialisten Genozids beteiligt
- sie hat die Assistenzärzte
von Carl Schneider bis in die 90er Jahre mit Forschung und Lehre betraut
- als Täterinstitution
beabsichtigt sie diese Kunst psychiatrisierter Menschen am Ort ihrer
tiefsten Demütigung gegen den Widerstand der Psychiatrie-Erfahrenen
auszustellen
- sie verweigert
sich jedem Kompromiß der eine angemessene Präsentation der
Sammlung in wesentlich großzügigerem Rahmen und im sozialen
Kontext erlauben würde.
Foto
Galerie des Protests gegen die Eröffnung
der sogenannten "Prinzhorn-Sammlung" Heidelberg, September 2001
"Beutekuns für den Hörsaal der Mörder?",
Protest
bei der Eröffnung der Ausstellung des
"Prinzhorn" Sammlung" an der Universität Heidelberg 2001
Rede
von Roman Breier
bei der Eröffnung der Biennale, 13.3.2005
Mein
Name ist Roman Breier. Ich bin einer der ausstellenden Künstler.
Bei
der Biennale MEINE WELT handelt es sich meiner Ansicht nach um
eine diskriminierende Veranstaltung.
Wir
Künstler werden als Menschen ausgegrenzt, indem wir als "anders"
bezeichnet werden. Wir werden als Künstler diskriminiert,
indem wir z.B. im Katalog dieser Ausstellung kein einziges Mal
Künstler genannt werden.
Durch
die Ab- und Ausgrenzung einzelner Menschen vom großen Rest
der Bevölkerung durch ihre Etikettierung als "anders",
gepaart mit der Zuweisung einer pseudomedizinischen psychiatrischen
Diagnose wird ihre Diskriminierung möglich, wie sie in der
psychiatrischen Praxis mit ihren alltäglichen Menschenrechtsverletzungen
wie Freiheitsberaubung, Zwangsfixierung und Körperverletzung
durch zwangsweises Verabreichen von gesundheitsschädlichen
psychiatrischen Drogen stattfindet.
Diese
Ausstellung will integrieren, sie bleibt aber in dem vorherrschenden
stigmatisierenden Schema gefangen. Die Kunstwerke haben allein
gemeinsam, dass sie von Künstlern geschaffen wurden, die
"anders\u201c sind als der Rest. Die hier ausstellenden Künstler
werden allein unter diesem Kriterium zusammengefasst und damit
isoliert. Die ehrende Erwähnung Prinzhorns ist eine unerträgliche
Beleidigung für die Künstler dieser Ausstellung, da
dieser das Schaffen von "Geisteskranken" bewusst nicht
als Kunst, sondern als "Bildnerei" bezeichnete und gleichzeitig
mit seinen Werken wie "Gemeinschaft und Führertum –
Ansatz einer biozentrischen Gemeinschaftstheorie" und "Bildnerei
der Geisteskranken" ideologische Grundlagen für das
NS-Regime formulierte, in dem bekanntermaßen als "geisteskrank"
diagnostizierte Menschen als "lebensunwert" bezeichnet
und ermordet wurden und, weitergedacht, in dem Bau und Betrieb
der Mordfabriken in Polen und dem Völkermord an den europäischen
Juden, Sinti und Roma gipfelte.
Die
Bezeichnung der Kunst als "entartet" führte zur
Verfolgung vieler anderer unliebsamer oder systemkritischer Künstler.
Es
ist außerdem eine Beleidigung für Jean Dubuffet, im
Zusammenhang dieser Ausstellung genannt zu werden, da doch er
es gerade war, der sagte:
Es gibt ebenso wenig eine Kunst der Geisteskranken, wie es eine
Kunst der Magen- oder Kniekranken gibt.
Er
weigerte sich, bei der Einordnung von Kunst in irgendeiner Form
vom Künstler statt vom Werk auszugehen, und in seinem Aufsatz
"ART BRUT" schrieb er:
... fast die Hälfte der Objekte in unserer Ausstellung sind
Werke von Insassen psychiatrischer Kliniken.
Dennoch sehen wir es nicht ein, wie es andere tun, eine spezielle
Abteilung für sie einzurichten.
Aus
diesen genannten Gründen ziehe ich mein Kunstwerk aus dieser
Ausstellung zurück und fordere meine Kollegen dazu auf, das
Gleiche zu tun. Alternativ werden meine und andere Werke ab dem
18.3. im Werner-Fuß-Zentrum in Berlin zu sehen sein.
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