| Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener	e.V. Herr Dr. Michael Naumann
 Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten
 der Kultur und der Medien beim Bundeskanzler
 Bundeskanzleramt
 Adenauerallee 141
 53106 Bonn
 
 Kopie an:
 Bundesgesundheitsministerin
 Andrea Fischer
 
 Kopie an:
 Bundesbildungsministerin
 Edelgard Bulmahn
 Montag, den 14.12.1998 Sehr geehrter Herr Dr. Naumann,
 
 wie Ihnen vielleicht schon durch einen Brief von Prof. Dr. Raue bekannt ist, haben wir von der Universität	Heidelberg die Herausgabe der Werke der unter dem Namen „Prinzhorn" bekanntgewordenen Sammlung für ein	„Haus des Eigensinns" - Museum der Wahnsinnigen Schönheit gefordert. Dieses Projekt in der Tiergartenstr.	4 in Berlin soll gleichzeitig ein Denk-Mal bzw. eine Gedenkstätte für die Opfer der „Euthanasie"	und Zwangssterilisation während der Nazi Zeit werden.
 
 Wir möchten uns nun an Sie wenden, um zu unterstreichen, daß der von der Heidelberger Universitätspsychiatrie	vorgesehene frühere Hörsaal der denkbar ungeeignetste Ort für die ca. 150m² Ausstellungsfläche	eines sog. „Museum Prinzhorn" ist.
 Was im Hörsaal dieser Psychiatrie von Carl Schneider, dem Lehrstuhlinhaber von 1933 bis ´45 gelehrt	wurde, kann leicht nachvollzogen werden, hat er doch ausgiebige Fahrten unternommen, um in Anstalten Menschen für	seine Forschung -Mord auf Bestellung - auszusuchen. Den Ort dieser Forschung und Lehre zum Museum eines ehrenden	Gedenkens an den Sammler Prinzhorn zu machen, der aus seiner Nazigesinnung und antisemitischen Rassismus keinen	Hehl gemacht hat, kann unserer Ansicht nach nur eine Verhöhnung der Künstler und der Opfer der NS „Euthanasie"	und Zwangssterilisation genannt werden.
 
 Die Fortsetzung dieses Vorhabens der Universität Heidelberg ist inzwischen schon auf den entschiedenen Protest	von Psychiatrie-Erfahrenen gestoßen, der in dem beiliegenden Foto dokumentiert ist.
 Wir teilen den an diesem Hörsaal vorgetragenen Protest:
 
 Beutekunst für den Hörsaal der Mörder (Bild anbei)
 
 Wir möchten sie weiterhin auf die stigmatisierende Darstellung der Kunstwerke der Sammlung hinweisen, wie	sie in den anliegenden Kopien aus dem letzten Ausstellungskatalogs der Universitätspsychiatrie dokumentiert	ist: Bilder werden mit Krankheitsbegriffen ausgezeichnet, der Künstler als Mensch wird nicht einmal mit seinem	Namen mehr bezeichnet - so dokumentiert Heidelberg noch heute „krankhafte Kunst", die Ideologie „entartete	Kunst" wird trotz aller gegenteiliger Beteuerungen implizit immer noch transportiert.
 
 Last but not least: Die Sammlung befindet sich in einem konservatorisch völlig vernachlässigten Zustand.	Zugespitzt gesagt, sie schimmelt im Keller der Psychiatrie Heidelberg vor sich hin. Bei dem Trägermaterial	der Kunstwerke handelt es sich vorwiegend um Papier. Bisher gibt es keine konservatorische Präperation und	entsprechenden Schutz vor dem Zerfall der unwiederbringlichen Zeugnisse dieser psychiatrisierten Künstler.
 
 Die Heidelberger Universität hat sich durch die völlige Boykotthaltung gegenüber dem von Bischof	Huber und Prof. Raue vorgetragenen Kompromissvorschlag noch einmal eindeutig ins Unrecht gesetzt:
 n sie hat die Sammlung bösgläubig erworben
 n sie hat die Psychiatrisierten zum Objekt und Opfer einer Wissenschaft mit Mord auf Bestellung gemacht und war	aktiv an der Legitimation des nationalsozialisten Genozids beteiligt
 n sie hat die Assistenzärzte von Carl Schneider bis in die 90er Jahre mit Forschung und Lehre betraut
 n als Täterinstitution beabsichtigt sie diese Kunst psychiatrisierter Menschen am Ort ihrer tiefsten Demütigung	gegen den Widerstand der Psychiatrie-Erfahrenen auszustellen
 n sie verweigert sich jedem Kompromiß der eine angemessene Präsentation der Sammlung in wesentlich großzügigerem	Rahmen und im sozialen Kontext erlauben würde.
 
 
 Sehr geehrter Herr Dr. Naumann,
 
 Bitte überprüfen sie den Zuschuß der Bundesregierung zu den Baumaßnahmen der Universitätspsychiatrie,	der sich nach unseren Informationen auf ca. 1,75 Mio. DM beläuft.
 
 Wir hoffen, daß es gelingen möge, diesen Zuschuß für die Realisierung des "Haus des	Eigensinns" nach Berlin umzuleiten. (Auch ökonomisch gesehen sind 1080m² Museumsfläche in Berlin	gegenüber 150 m² in Heidelberg, für das selbe Geld für den Bund viel sinnvoller)
 
 
 Mit freundlichen Grüßen
 gez. Brigitte Siebrasse(Mitglied des geschäftsführenden Vorstands des BPE)
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